Meine Erwartungen vor unserem diesjährigen Trip, an den River Dee in Schottland, wurden durch die Erzählungen, derer die dort bereits einmal gefischt haben, geschürt. So konnte ich in der Nacht vor unserem Abflug, kaum ein Auge zu tun. Am Flughafen angekommen, sah ich Mawill an, dass es ihm wohl ähnlich erging. Völlig übernächtigt konnten wir in Abberdeen dann endlich unseren Mietwagen in Empfang nehmen. Anscheinend merkte auch die nette Dame am Schalter, dass wir nicht ganz auf der Höhe waren und bot uns eine Zusatzversicherung an, „fully covered insurance – just 5,99 pounds / day“. Mit dem Lenkrad auf der falschen Seite war dies wohl keine ganz schlechte Idee, dachten wir… wie gut dieses Geld investiert war, ahnten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht!
Bevor wir unser Cottage mit Blick auf den Fluss bezogen, wollte mir Mawill noch einige Pools zeigen, die er in den letzten Jahren erfolgreich befischt hatte. Die Aussicht war atemberaubend! Der Boat Pool lag an diesem windstillen Sonntag mit leicht gekräuselter Oberfläche vor uns, mir viel fast die Kinnlade herunter, als ich innerhalb der ersten Minute sicherlich 10 Lachse springen sah… Sie waren da, anscheinend in so großen Anzahlen, wie ich mir es nicht besser hätte erträumen könnte.
Der Wasserstand war diesmal höher als letztes Jahr und der Herbst war in Schottland wohl noch nicht vollständig eingezogen. Die Blätter an den Bäumen leuchteten, hier und da schon in Orangetönen aber es hatte wohl noch keinen Bodenfrost gegeben. Wie würden sich die Fische in diesen Bedingungen verhalten? Da am Sonntag in Schottland nicht gefischt wird, mussten wir bis zum nächsten Tag warten, um es heraus zu finden.
Als wir dann unser typisch Schottische Stein-Cottage bezogen, brannte im Wohnzimmer bereits ein wärmendes Kaminfeuer und unsere Freunde, Peter und Marko, mit denen wir die Unterkunft teilten, hatten uns einen Whiskey zur Begrüßung bereitgestellt… So habe ich mir Schottland immer vorgestellt! An diesem Tag passierte nicht mehr viel. Norman war inzwischen eingetroffen und machte die Besetzung unserer Unterkunft vollständig. Nachdem wir unser Tackle aufgebaut und einen Happen im wiedereröffneten „Potarch Bridge – Hotel“ gegessen hatten, entspannten wir bei Whiskey und Fischgeschichten.
Am Montagmorgen trafen wir auf den Rest der Gruppe und unser Ghillies. Insgesamt waren wir 16 Fliegenfischer aus Dänemark, Schweden, Finnland, England, Italien und Deutschland. Das Briefing der Ghillies viel recht kurz aus, anscheinend ahnten sie wie heiß wir alle waren, unsere Fliegen endlich im Dee-Wasser zu taufen. Neben dem förmlichen willkommenheißen, erwähnten die Ghillies, dass in dieser Woche zwei Biologen damit beschäftigt sein würden, Fische mit Radiosendern zu versehen.
Am Dee wird der Lachsaufstieg, als Teil eines wissenschaftlichen Biotopsmonitoring, seit langem genauer untersucht. Der „River Dee Trust“ betreibt in diesem Rahmen umfangreiche Maßnahmen zur Biotopspflege, wie etwa der Beseitigung von Aufstiegshindernissen in den Dee-Zuflüssen, Pflege der Laichbetten, Maßnamen zur Reduzierung des Eintrag an landwirtschaftlichen Abwässern und eben verschiedene Untersuchungen am heimischen Lachsstamm. Ghillie John McGinley arbeitet seit vielen Jahren am Dee. In der Mittagspause unseres letzten Fischtages, führten wir ein langes Gespräch über die Projekte dieses Programms… das ist jedoch ein Thema, welches einen ganzen Bericht einnehmen würde!
Endlich wurden wir an die jeweiligen Beats verteilt und ich begann meine Woche am Commonty. Lars ließ mich an einem Pool beginnen der den Namen „Suicide“ trägt. Mit den Worten, „Vorsicht beim Waten“ machte er sich auf dem Weg nach „Garden“, wo er beginnen würde und ich dachte noch, „kann jawohl nicht so schlimm sein…“. Nach meinem ersten Durchgang wusste ich dann warum der Pool diesen Namen trägt und die Worte von Lars zu schätzen – Danke! Nein, ich bin nicht baden gegangen, war aber einige Male kurz davor. Bis zum Mittag fischte ich mich zu den Anderen hinunter, ohne einen Biss zu bekommen. Weder Lars noch Markus konnten mir mehr berichten, als ich selber erlebte. Es schien wie verhext, in allen Pools konnten wir unzählige Lachse beim Buckeln oder Springen beobachten, nur wollten sie nicht recht!
Am Mittag hatte ich fast den gesamten Inhalt meiner Fliegenbox durch, als ich am „Bend Pool“ eine kleine Francis montierte. Nach dem dritten oder vierten Wurf spürte ich dann endlich dieses ersehnte Rucken in der Schnur. Mein Gegner leistete erbitterten Widerstand, musste sich dann schließlich Lars beherztem Schwanzwurzelgriff ergeben. Mein erster Schottischer Lachs war ein wunderschön gefärbter Cock-Fisch von 14lbs. Noch während des Drills trafen die Biologen Mark Bilsby und Lorraine Hawkins mit ihrem Equipment ein. Geübt stellten sie „meinen“ Lachs mit einem Anästhetikum ruhig, ehe sie ihm eine Gewebe- und eine Schuppenprobe entnahmen, die Markierung unter der Rückenflosse befestigten und schließlich den Peilsender in seinen Magen einführten. In die Statistik ging der Fisch als Nr. 52 ein, ehe er von den Schülern einer anliegenden Grundschule auf den Namen Nicholas getauft wurde. Seither kann man seine Bewegungen im Internet verfolgen. LINK
Dieser Fisch war mein Auftakt zu einer Woche Lachsfischen, die ich sobald wohl nicht noch einmal erleben werde. In den kommenden Tagen fischten wir im Rotationsprinzip einige der schönsten Pools, die ich jemals gesehen habe, darunter auch solch geschichtsträchtige, wie Carintons „Grey Mare“, „Red Hut“ oder „Boat Pool“. Ich konnte zehn Lachse von 6lbs bis 20lbs landen, im Drill verloren habe ich mindestens genauso viele, ganz zu schweigen von den Bissen, die durch die kleinen Zwillingshaken nicht hängen blieben… Abgerundet wurde das Ganze, durch das perfekte Setting am Fuße der Highlands zwischen gemütlichen Fischerhütten beeindruckenden Herrenhäusern und urigen Pubs!
Wie nah Glück und Pech manchmal bei einander liegen können zeigt das Beispiel von Mawill, der in diesem Jahr eine rabenschwarze Woche erwischte. Nachdem er im letzten Herbst noch 13 Lachse gefangen hatte, erwischte er in diesem Jahr „nur“ zwei Fische. Als ob das nicht schon genug war, woran er zu beißen hätte, gingen ihm zudem zwei Ruten zu Bruch. Das er dann noch den Mietwagen, schrottreif in einem Graben parkte, setzte dem Ganzen dann die Krone auf… Zum Glück hatten wir die extra Versicherung abgeschlossen!
Erst am letzten Abend der Saison, trafen alle Fischer wieder zusammen. Wir hatten einen großen Tisch im „Potarch Bridge“ Hotel gebucht und ließen eine tolle Woche, gemeinsam mit unserem Ghillie, Shean Stanton und dem Fisheries Development Officer, Ken Reid, bei einem zünftigen Abendessen und einigen Guinness ausklingen. Lars verkündete die offiziellen Stats: Insgesamt hatten wir mit 16 Ruten 105 Lachse, mit einem Durchschnittsgewicht von 8 lbs gefangen.
Diese Zahlen beweisen, dass es sich beim River Dee, heute wieder um eines der absoluten Top-Gewässer der Welt handelt. Zu verdanken haben wir diesen Umstand, mit Sicherheit auch der Arbeit aller am Renaturierungsprojekt Beteiligter. Angesichts dieses Projekts, sollten sich viele andere, hiervon eine Scheibe abschneiden. Wann begreifen wir endlich, welchen großen Wert ein solches Stück Natur, für uns Menschen bereit hält?
Wer sich über die Projekte am Dee informieren möchte, findet Hier einige Infos
Zur Fliegenbox geht es Hier
Tight Lines,
Dein FlyOnly Team
- Normann mit Lachs vom Boat Pool
- Implantierung des Senders
- Der Radiosender wird vorbereitet
- Der Fisch wird betäubt
- Letzter Durchgang